Der Gärtner im Oktober
Text Karel Capek, tschechischer Schriftsteller, 9.1.1890 - 25.12.1938
aus: Das Jahr des Gärtners. Kapitel 22
Fotos Anne Rahn
Fotos Anne Rahn
So ein Herbst ist eine überaus fruchtbare Zeit.
Im Vergleich dazu ist
der Frühling sozusagen ein wenig kleinlich. Der Herbst arbeitet gern in großem
Maßstab. Hat man je erlebt, dass das Frühlingsveilchen zu drei Meter Höhe
aufschieße, oder die Tulpe wachse und wachse, bis sie die Bäume überragt?
Na,
sehen Sie! Dagegen kommt es vor, dass man im Frühjahr ein paar Herbstastern
einsetzt und bis zum Oktober ein zwei Meter hoher Urwald daraus wird, den man
nicht zu betreten wagt, in der Furcht, nicht mehr den Weg ins Freie zu finden.
Oder man setzt im April die Wurzel einer Sonnenbraut in die Erde ein, und jetzt
nicken von oben die goldenen Blüten ironisch auf einen herab, die man nicht einmal
mehr mit der Hand erreicht, auch wenn man sich auf die Fußspitzen stellt.
Rudbeckia triloba, Dreilappiger Sonnenhut
Es
kommt beim Gärtner alle Augenblicke vor, dass er ein wenig den Maßstab verliert.
Deshalb verpflanzt man im Herbst die Blumen; alljährlich schleppt der Gärtner
seine Perennen wie eine Katze ihre Jungen von einem Ort zum andern. Alljährlich
sagt er befriedigt: »So, jetzt ist alles eingesetzt und in Ordnung.«
Im
nächsten Jahr atmet er genau so erleichtert auf. Der Garten ist nie fertig. In
dieser Beziehung gleicht der Garten der menschlichen Welt und allen
menschlichen Unternehmungen.
Die Gartenführer wünschen allen eine schöne Herbstzeit.